Dem Schuhmacher über die Schulter geschaut

Schuhmachermeister Rolf Brumm betreibt seit fast drei Jahrzehnten seine Werkstatt mit mehreren Annahmestellen in Overath. Er fertigt und repariert Schuhe und anderes Lederwerk. Da findet sich auch schon mal Zaumzeug oder Hufschuh eines Pferdes, die Hundeleine oder ein defekter Gürtel auf seinem Arbeitstisch. Unter seinen Händen wird das defekte Stück schnell wieder einsatzfähig. Sein Traditionshandwerk bringt Meister Blum auch jüngeren Kunden ganz zeitgemäß über facebook und seine stets aktuelle Internetseite näher.

In seiner Werkstatt lässt sich Rolf Brumm zudem des Öfteren von Grundschülern und Kindergartengruppen bei der Arbeit zusehen, um ihnen Wissenswertes rund um den Schuh näher zu bringen und zu zeigen, was ein Schuster so macht. Da verfolgen die kleinen Gäste interessiert, wie aus einem kaputten Treter wieder ein intaktes Fußkleid wird und lernen dabei, dass sich gute Pflege für gute Schuhe lohnt.

Text und Foto Susanne Schröder

Besuch der OGS Heiligenhaus am 09.04.2015 Foto Susanne Schröder

Artikel vom 10.04.2015 KstA/Bergische Landeszeitung

 

Man muss viel mehr strampeln als früher“

Erstellt
 Foto: Klaus Daub
Als Schuhmachermeister ist Rolf Brumm einer der letzten seiner Zunft. Das Handwerk, mit gutem Schuhwerk aus hochwertigem Leder zu arbeiten, hat es in Zeiten der Billigtreter schwer. Im Gespräch erzählt Brumm, warum er seinen Beruf trotzdem liebt.  Von
 
 
 
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Herr Brumm, macht es für Sie einen Unterschied, ob man Sie als Schuhmacher oder Schuster bezeichnet?

Für mich selbst macht es keinen Unterschied. Ich bin zwar Schuhmachermeister, aber das Wort Schuster ist in Köln so gebräuchlich.

Machen Sie denn auch selbst Schuhe?

Ich kann selbst Schuhe machen. Aber die bezahlt mir ja keiner mehr.

Wann haben Sie zuletzt welche gemacht?

Die letzten waren im Jahr nach meiner Meisterprüfung, und die war 1986. Das waren blau-graue normale Straßenschuhe.

Stirbt der Beruf des Schuhmachers aus?

Ja, definitiv. Es gibt viele Billigprodukte, die gar nicht mehr zur Reparatur gebracht werden. Hinzu kommt, dass jeder mehr als drei Paar Schuhe besitzt. Der Rhythmus, bis die mal abgelaufen sind, ist viel länger. Manchmal glaube ich auch, dass es auch damit zusammenhängt, dass wir so wenige sind. Viele wissen ja gar nicht mehr, dass es noch Schuhmacher gibt.

Haben Sie folglich auch Nachwuchsprobleme?

Ja, schon lange. Als ich 1978 angefangen habe, waren wir gerade mal 17 Lehrlinge aus Nordrhein-Westfalen, die in Köln zusammenkamen. Und 1986 auf der Meisterschule in Frankfurt waren wir zwei Schuhmacher und haben die Prüfung zusammen mit den Orthopäden gemacht.

Welches Werkzeug braucht man als Schuhmacher?

Um Schuhe ordentlich und fachgerecht reparieren zu können, braucht man eine Schleifmaschine, eine Presse, eine Doppelmaschine, eine Durchnähmaschine, eine Nähmaschine, einen Schuhweiter…

Das kostet ja ganz schön Geld.

Das kostet! Eine neue Werkstatt einzurichten und die Maschinen alle neu zu kaufen, kostet heute für die Erstausstattung 80 000 Euro.

Was mögen Sie an Ihrem Beruf?

Dass ich mich handwerklich betätigen kann, dass ich mein eigener Herr bin und dass ich Kontakt zu Menschen habe. Je nach Arbeitsanfall kann ich mir die Zeit einteilen: Rede ich etwas länger mit dem Kunden oder beschränke ich mich auf das Fachgespräch? Das ist schön, das ist meine Art von Leben. Reichtümer kann ich allerdings nicht mehr erreichen mit meinem Job, dafür sind die Zeiten zu schlecht.

Worum geht es in den Gesprächen?

Um alles. Ältere Leute erzählen gerne mal von ihren Krankheiten. Es geht auch um Probleme in der Stadt, um die Kinder – es gibt ja viele Stammkunden, da geht es auch schon mal ein bisschen tiefer ins Familiäre. Jüngere Leute versuche ich über meine Facebook- und meine Internetseite anzusprechen, damit die überhaupt erfahren, dass es einen Schuhmacher gibt. Außerdem kommen öfter mal Kindergärten zu mir in die Werkstatt.

Sind Sie für Ihre Kunden gelegentlich der Retter in der Not?

Ja, und das bezieht sich nicht nur auf Schuhreparaturen. Das sind auch Reitartikel, Reitstiefel, Hufschuhe für die Pferde, Taschen oder Gürtel… Es ist schön zu hören, wenn so empfohlen wird: „Geh doch mal zu Meister Brumm, der macht dir das. Wenn der das nicht macht, dann macht es keiner.“

Einen Schlüsseldienst haben Sie aber nicht?

Nein. Ich mache nichts mit Metall. Da weigere ich mich.

Warum?

Weil ich’s nicht gelernt habe. Ich käme dann in Richtung schnell, schnell, mein Metier ist aber die Qualitätsarbeit. Ich sage immer: Schuster, bleib bei deinem Leisten.

Gibt es etwas, was Sie an Ihrem Beruf nicht mögen?

Ich mag es nicht, wenn ich nicht ausgelastet bin. Die Zeit geht dann einfach nicht vorbei. Ich habe lieber die Hütte voll und rödel’ von morgens bis abends, als dass ich nachmittags warte, bis der Feierabend kommt. Ansonsten gilt: Nächstes Jahr bin ich 30 Jahre lang selbstständiger Meister, und ich habe das nicht einen einzigen Tag bereut.

Schön, wenn Sie das sagen können.

Das Einzige, was manchmal zu wünschen lässt, ist die finanzielle Situation. Man muss viel mehr strampeln als früher. Es gibt Tage, an denen ist überhaupt nichts los. Und dann gibt es wieder Samstage, an denen ganz viele Männer kommen, vermutlich, weil die dann freihaben. Dann haben Sie an einem halben Tag mehr Umsatz als sonst an einem ganzen.

Ich dachte immer, die Frauen wären die teureren Wesen?

Frauen haben aber viele Paar Schuhe und wechseln die. Wir haben dagegen vielleicht drei, vier Paar, unsere Lieblingsschuhe. Meistens sind das dann hochwertigere.

Machen Sie mit Männerschuhen mehr Umsatz als mit Frauenschuhen?

Ja. Bei den Damen sind es meistens die Absätze für neun, zehn Euro. Wenn die Herren mit den Absätzen kommen, sind meistens die Sohlen mit dabei. Das sind dann schon mal 30, 32 Euro, bei Ledersohlen auch schon mal knapp an die 40, je nach Aufwand.

Zur Person

Rolf Brumm (52), Schuhmachermeister, hat seine Werkstatt direkt am Overather Busbahnhof. Geboren in Donrath, machte er seine Ausbildung in Siegburg und Köln-Porz. Seinen ersten Meisterbetrieb eröffnete er in Köln-Mülheim, wechselte dann aber nach Overath und unterhält zudem ein Dutzend Annahmestellen im Bergischen Land und im rechtsrheinischen Köln. Er selbst besitzt rund 20 Paar Schuhe. Mit dieser für einen Mann eher hohen Zahl ist er für Schuhmacher nicht eben der ideale Wunschkunde. (sb)

www.meisterbrumm.de

Es ist ein bisschen laut bei Ihnen. Stört Sie das?

Nein, und ich höre auch gut...

… und sprechen sogar eher leise.

(laut) Ja, meine Frau sagt mir ständig: „Red’ mal was lauter!“

Stört es Sie, wenn Sie Schuhe bekommen, die müffeln oder sogar stinken?

Neulich habe ich gedacht: Das hast du ja ewig nicht mehr gehabt. Aber gerade vorgestern brachte jemand ein Paar Wanderschuhe, die müffelten richtig. Am nächsten Morgen habe ich meiner Frau erzählt: Das erste, was ich heute mache, sind die Wanderschuhe, damit ich die in die Ecke stellen kann. Normalerweise habe ich damit kein Problem.

Haben Sie Tipps für Stinker?

Ständig die Schuhe wechseln, damit die getragenen Schuhe auslüften können. Und darauf achten, dass es Lederschuhe sind. Da ist ja auch das Schlimme mit den billigen Kinderschuhen beim Discounter. Jeder Fuß atmet, auch Kinderfüße. Da öffnen sich die Poren, und durch die Poren werden Stoffe aufgenommen. Und dann wundern sich die Leute über die ganzen neuen Allergien, die Kinder heute bekommen.

Erwarten Ihre Kunden manchmal Wunder von Ihnen?

Der eine oder andere ja. Der erwartet dann schon mal Dinge, wo ich antworten muss: Da kann ich jetzt nichts zu sagen. Lassen Sie die mal hier, ich kümmere mich am Wochenende darum. Solche speziellen Fälle lege ich mir auf den Samstag. Dann kann ich mir die Woche über schon mal Gedanken machen und habe am Samstag die Lösung parat.

Welche Schuhe sind am Schönsten zu reparieren?

Je hochwertiger der Schuh, desto mehr Spaß macht es. Wenn Sie richtiges Leder abschleifen, gutes, grubengegerbtes Leder – das ist wie Zigarre rauchen. Toll! Bei guten Schuhen kann man auch sein Handwerk wieder richtig anwenden.

Gibt es Schuhe die Sie empfehlen würden?

Lederschuhe, weil der Fuß darin atmen kann. Die sind auch viel langlebiger.

…und teurer.

Ja, die sind teurer. Aber der arme Mann zahlt immer doppelt. Wenn Sie ein paar Schuhe für 30 Euro kaufen, tragen Sie die drei Monate und werfen sie dann weg. 120-Euro-Schuhe tragen Sie ein paar Jahre lang. Die können Sie zwischendurch mal erneuern lassen. Die verlieren ihre Form auch nicht, wenn der Kunde ein bisschen mitmacht und einen Spanner reintut.

Hatten Sie auch schon einmal so hohe Absätze, dass Sie sich gefragt haben, wer da überhaupt drauf laufen kann?

In Durbusch gibt es doch so eine Sauna-Residenz. Eine Zeit lang hatte ich Schuhe von dort – solche mit 15-Zentimeter-Absätzen. Aber die Damen sind ja nicht viel damit gelaufen. Da musste man nur mal ein bisschen Farbe erneuern, damit sie wieder gut aussahen.

Haben Sie dafür einen höheren Preis gefordert?

Nein, für mich ist die Arbeit doch dieselbe.